Warum besteht die Serie „Die 7 Zwerge“ nur aus sechs Bildern? Auf die Frage entgegnete Hansi Sprenger frech: „Na, der siebte Zwerg bin ich!“ Doch hinter der Berliner Schnauze steckte auch das sprichwörtliche Herz. Davon zeugt das Werk des Ende 2003 verstorbenen Künstlers. Seine Handschrift war rau, aber im Innern der Bilder entstand eine eigenwillige Poesie.
Trotz seiner überbordenden Phantasie hat Hansi Sprenger es verstandenen, Schönfärbereien zu vermeiden. Mit ruppig eingebauten Zahlen oder frechen Kürzeln hat er eine Malerei hervorgebracht, die direkt am Puls der Realität tickt. Egal ob es sich um Stadtvisionen, eine Blumen-Serie oder Figuren aus der Märchenwelt dreht. Die Bilder versprühen eine unmittelbare Energie. Hansi Sprenger hat sie aus seiner Geburts- und Heimatstadt quasi aufgesogen.
Hansi Sprenger wurde 1945 in Berlin geboren und studierte Bildhauerei und Malerei an der Hochschule der Künste. 2003 verstarb er in seinem Berlin, das er nur selten verlassen hat. Weit gereist ist er in seinen Bildern.
Sprengers Realität reflektiert stets den Rhythmus der Stadt. Mal in Form von Fundstücken, mal mit Titeln, die konkrete Ereignisse aufgreifen. Dabei reduzierte sich der Maler nie auf ihr realistisches Abbild. Die simultanen und parallelen Welten, die manche der Bilder bis zum Bersten füllen, erzählen von ihrer lebendigen Urbanität.
Bisweilen zeigt sich dieses Leben kantig, dann wiederum fällt der Blick auf intime und anrührende Momente: wie das kindliche „Reiterinnen-Standbild“ oder kleinbürgerliche Blumenarrangements. Neben Herbst- und Mauerblümchen wachsen Mond- und Himmelsblumen mit feiner Ironie.
Etwas über Hansi Sprenger zu erzählen, ist mir ein ganz besonderes, ein sehr persönliches Anliegen. Nicht nur weil mich sein Werk – in allen Phasen und mit allen Veränderungen – zeitlebens begeistert und angeregt hat, sondern auch weil Hansi Sprenger der Funke war, der meine Begeisterung für die bildenden Künste überhaupt entfacht hat.
Unsere erste Begegnung fand 1960 statt, in einem Jazz-Keller. Ich hatte ich mich als Waschbrettspieler bei den Berlin Skiffle Gamblers beworben. Hans-Jürgen Sprenger, der damals schon Hansi oder meistens „der kleine Dicke“ hieß, war ein Teil dieser Formation. Er beherrschte zwei französische Trinklieder, die er bei jeder Gelegenheit zum Besten gab.
Ich habe ihn dann zuerst von der Realschule abgeholt, später dann bei Grabmahl König, wo Hansi eine Lehre als Steinmetz machte.
Abends ging es dann in die üblichen Szenetreffs: Eierschale, Leierkasten, zu Poldi in den Malkasten und nicht zuletzt in die Kleine Weltlaterne zu Hertha. Das eine oder andere Hausverbot für Hansi war dabei fast üblich, weil er schon mal Gästen mit einem Barhocker drohte, den er dann aber meistens selbst abbekam.
Nachdem Sprenger Steinmetzgeselle war, ging’s an die Schule für Kunsthandwerk und Mode, die spätere Abteilung 5 der Hochschule der Künste zum Bildhauer Max Rose. Von Rose erlernte Hansi das realistische Formen -, vor allem aber um den Realismus anschließend wieder zu vernachlässigen.
Oder, wie Hansi das einmal selbst gesagt hat: „Ich male und male, aber ich glaube, das einzige realistische Bild ist meine Hose, weil ich an ihr nur, ohne Wertung, meine Pinsel abstreife.“
Den stärksten Einfluss auf Hansi Sprenger hatte schließlich Hermann Bachmann, bei dem er nach dem Bildhauer-Studium, Malerei studierte, dieses mal in der Abteilung „Freie Kunst“ der HdK.
Wenngleich Hansi Sprenger in erster Linie als Maler im Gedächtnis bleibt, so hat er doch immer auch die Bildhauerei weiterbetrieben. Und die Tatsache, dass er beide Disziplinen beherrschte, ermöglichte eine Grenzwanderung, in der das dreidimensionale Denken munter in seine „Flachware“ einfließen konnte. Die malerische Perspektive hat Sprenger mit seinen vielschichtig gestaffelten, collagierten und montierten Bildarchitekturen stets hintertrieben und neu ausgelotet – und war darin ein wahrer Sprengmeister der zweidimensionalen Bildebene.
Ein weiteres Element seiner Bildsprache – und auch das wiederum persönlich fundiert, aus einer Leidenschaft gegründet – war die Literatur. Sprenger liebte und verschlang die Heroen einer vornehmlich virilen Dichtung: Ernest Hemmingway, Henry Miller, den Maler-Schriftsteller Jan Cremer und natürlich Charles Bukowski. Wobei die sinnliche, literarische Erfahrung im Vordergrund stand, nicht etwa das wörtliche Statement oder konzeptuelle Schriftstudien.
Gemäß seinem Motto, ich bin Maler und kein Schriftsteller, verklausulierte er derlei Zitate – verdichtete sie zu Stimmungen oder unleserlichen Kürzeln; bestenfalls zu Worten, deren Inhalt im Bildkontext Un-Sinn stiftete – und so der Malerei einen neuen Sinn gaben, in dem sie unsere Wahrnehmung für die rauen Seiten des Lebens schärfen.
Aber auch eine gewisse literarische Begabung war Sprenger eigen, wovon nicht zuletzt Witz und Aberwitz seiner pointierten Titel zeugen und ebenso seine Aphorismen wie: „Leider kann ich keine Schmetterlinge malen, nur Nägel.“
Seine schroffen und kruden Formulierung – von Wort und Sinn, von Perspektive und Farbklang, der bei Sprenger oft wie Gewitterdonner tönte, – diesen deftigen Anmerkungen zu Kunst- und Lebenssinn stehen auf der anderen Seite märchenhafte Wesen sowie eine bisweilen naiv anmutende Formgebung gegenüber. Ein weiterer Aspekt der originären und höchst nuancierten sprengerschen Bildsprache, die das Realistische mit dem Abstrakten und die Wirklichkeit mit der Fabelwelt kongenial verquickt.
Denn was man in diesen überbordenden Bildwelten stets spürt, ist der untrügliche Sinn für das Wesentliche, Sprengers Gabe des scharfen Beobachters, der mit offenen Augen durch die Stadt marschierte. Und nicht nur in seinen zahlreichen „Stadtvisionen“ und „City Reports“ schwingt dieser lebendige, urbane Rhythmus mit. Seinen Duktus führte stets ein Stakkato an und in seinen Bildern erklingt das permanente Crescendo der Stadt. Und wenn Hansi Sprenger die Stadt malte – sie in Objekten und Skulpturen fokussierte oder einfach nur über die Stadt redete -, so meinte er immer Berlin.
Über die Grenzen der Mauerstadt zog es ihn nur selten hinaus. Obwohl er 1983 im Haus am Lützowplatz eine ganze Ausstellung unter den Titel „Sprengers Holiday“ stellte, und dabei keinen Kontinent ausließ: Verreist ist Hansi Sprenger in seinen Bildern.
Berlin, im Dezember 2004
Biographie
1945 | in Berlin geboren |
1966 – 1969 | Studium an der Staatlichen Akademie für Werkkunst und Mode, Berlin |
1969 – 1975 | Studium an der Hochschule der Künste, Berlin – Meisterschüler bei Prof. Hermann Bachmann |
2003 | in Berlin verstorben |
Ausstellungen (Auswahl)
1975 | Galerie Hulsch-Eisbrüggen, Berlin |
1976 | Galerie Hulsch-Eisbrüggen, Berlin |
1978 | Haus am Kleistpark/Kolonnaden im Kleistpark, Berlin
Galerie Fundus, Berlin (mit P. Herbrich und R. Mang) |
1980 | Galerie Fundus, Berlin Kunstverein Schering, Berlin (mit P. Herbrich) |
1981 | Hochschule der Künste, Berlin (mit P. Herbrich) |
1982 | Galerie Mönch Berlin |
1983 | Haus am Lützowplatz, Berlin |
1985 | „5 HALLEN – 5 SITUATIONEN, Kunstquartier Ackerstraße, Berlin Galerie Westphal, Berlin |
1986 | Galerie List, Hannover 12. Kunstmarkt Hannover, one-man-show, Galerie List |
1987 | Galerie Mönch Berlin |
1988 | ART-MEETING Hannover-Berlin Kubus, Hannover |
1989 | Sonderschau der Deutschen Bundespost, CeBIT, Hannover |
1990 | Galerie Mönch Berlin |
1991 | Galerie Mönch Berlin (mit Rainer Maria Schopp) |
1992 | DAS BROT, DER WEIN, DIE KUNST, Zionskirche, Berlin |
1995 | Galerie Mönch Berlin |
1996 | Westwendischer Kunstverein im Herrenhaus Colborn, Kolborn |
2000 | MALEREI IN BERLIN (mit Isabelle Borges, Klaus Fußmann und Martin Matschinsky), Galerie Mönch Berlin |
2002 | Bildhauerstiftung im Georg Kolbe Museum |
2004 | SUDDEN DEATH, Westwendischer Kunstverein |
2006 | 7 ZWERGE, Galerie Mönch Berlin |
2013 | Galerie Mönch Berlin |
Sammlungen und Preise
Hochschule der Künste, Berlin (heutige UdK) |
Artothek im Neuen Berliner Kunstverein |
Künstlerförderung des Senats für Arbeit und Soziales, Berlin |
Plakat- und Coverwettbewerb GK München 1978 (1. Preis) |
Senat für Bau- und Wohnungswesen, Berlin (Gestaltung und Realisierung zweier Giebelwände) |
Kunstpreis der Firma Schindler (2. Preis) |
Kunstsammlung der Bundesrepublik Deutschland |
Kunstsammlung des Senats von Berlin, Berlinische Galerie |
Kunstsammlung der Stadt Hannover |